Mittwoch, 06.12.2017

Das erste, was man hörte, an diesem kalten Mittwoch, war ein heimliches Geräusch. In der Dunkelheit machte sich ein Laut zu schaffen, den niemand identifizieren konnte. Nur diejenigen konnten es hören, die um 3 Uhr morgens noch wach waren. Danach legte sich wieder eine ruhige Stille über die Räumlichkeiten im Jugendgästehaus.
Aufgeweckt hingegen wurde man allerdings schon ein wenig früher als um 8. Aufgeregtes Geplapper, Getrampel auf den Gängen und schlaftrunkene FÖJler, die einem unbedingt verkündigen mussten, dass da „leckeres Zeug rumliegt“. Und tatsächlich: An diesem Morgen lagen kleine Papiersäckchen mit Süßem auf unserer Zimmerschwelle. Der Nikolaus war also da gewesen.

Der Nikolaus war da 🙂

Nach der kleinen Überraschung gab es wieder erstmal ein schönes Frühstück, was den vorgedehnten Magen wieder ordentlich vorfüllte. Das hätte man sich eigentlich sparen können, wenn man gewusst hätte, was uns für ein WUP bevorstünde. Denn nach dem Frühstück erwartete uns wieder eine Einheit sportlicher Betätigung (was man eben so um 9 morgens unter sportlich versteht…). Maurice, ein Teil des Seminarplanungsteams, schlug das „kotzende Känguru“ vor. Die Person in der Mitte des Kreises deutete auf eine Person im Außenkreis und sagt zum Beispiel: „kotzendes Känguru“ oder „James Bond“. Und schon kotzten die Nachbarn der angedeuteten Person galant in die Schüsselarme desjenigen oder schmachteten ihn an mit „Ohh Jaames“. Nach der „gefällten Rubinie“ wurde das WUP für beendet erklärt und man ging in das Programm des Mittwochvormittag über.

„Was ist Gerechtigkeit?“ und mit derlei Fragen starteten die Seminarvorbereiter in eine Kleingruppendiskussion mit sehr überspitzten Thesen, wie zum Beispiel „Wer arbeitet, darf auch essen“ oder „Jedes Land ist für seinen eigenen Wohlstand verantwortlich“. Eingeläutet wurde übrigens jede These einzeln. Dazu diente eine wunderschöne Fahrradklingel, die an einem Stock arretiert wurde und die die laute Menge in eine starre, leise verwandelte.
Unsere Gemeinschaft war sehr diskussionsfreudig und am Ende kamen auch eine sehr unterschiedliche Menge an Definitionen von Gerechtigkeit heraus.

so viele verschiedene Ideen…

Nach der sehr trockenen, aber dennoch sehr spannenden Phase kam eine kleine Pause. Danach, kurz vor Mittag, stellte Joel – auch ein Teil des Vorbereitungsteams –  seine einzigartige Präsentation über „Rente und Hartz IV – soziale Absicherung in Deutschland“ vor und schlug die Zuhörer in seinen Bann.

Joel beim präsentieren

Danach entfachte sich auch noch ein reger Informationsaustausch, was die Zeit wie im Nu verstreichen ließ. Doch man merkte schon, dass etwas gebraucht wurde nach diesem vielen Informationsaustausch: ESSEN! Punkt 12 erfolgte eine Stampede an FÖJ-Getrampel und die Masse wälzte sich den Treppengang hinunter bis in den Essenssaal, wo anschließend geschlemmt und gebechert wurde. Wenn man genau hinhörte, dann redeten noch viele Leute über die vorher besprochenen Themen. Und da huschte auch schon mal ein Lächeln über die Gesichter der Seminarplaner. Nach der Stunde Pause, in der man ein wenig durchatmen konnte (draußen oder beim Essen), klingelte auch schon wieder die  Fahrradklingel und schon trabte man auch wieder nach oben in den Seminarraum. Nun schloss sich ein kleiner Erfahrungsbericht an, den ich, Lukas, moderierte (um mal kurz in den Ich-Erzähler zu wechseln). Dabei wurde darüber gesprochen, was einem schon so für Gerechtigkeit oder auch für Ungerechtigkeit begegnet ist. Ich war selber sehr froh, dass dieser Part so gut lief und alle so gut mitgemacht haben. Ich konnte sogar ein paar mehr Leute beim Namen nennen! Am Ende gab es sogar sehr beeindruckende, aber auch sehr krasse Beispiele an Un-/Gerechtigkeit. Dabei erzählten viele auch aus ihrer Schulzeit, aber auch aus unmittelbarer Verwandten-Umgebung.

Gleich nach diesem Austausch gab ich das Wort an Judith, eine unserer Teamerinnen, weiter. Und sie hatte etwas sehr Cooles vorbereitet…
Sie teilte uns mit, dass wir erstmal in den Speisesaal müssten. Denn da würde unser Projekt stattfinden.
Als sich alle unten versammelt hatten und in Kleingruppen eingeteilt waren, setzten wir uns an verschiedene Tische. Auf jedem Tisch lag eine unterschiedliche Menge an Papier und Bastelmaterialien. Ein Tisch hatte nur Papier. Ein anderer Papier und Schere/Stift und Geodreieck. Jeder Tisch war also mit einer jeweils unterschiedlichen Menge an Ressourcen gefüttert. Vorne stand ein Aufsteller mit allerlei geometrischen Figuren festgepinnt: Ein Quadrat, ein Kreis, ein Rechteck und ein Dreieck. Neben allen Figuren stand ein Preis, alle hatten also einen Wert. Neben dem Aufsteller saßen Theresa (unsere 2. Teamerin) und Judith an einem Tisch mit dem Namen „Weltmarkt“.
Im Grunde vertritt jeder Tisch ein Land. Manches weniger, manches mehr reich (gemessen an der Anzahl an Bastelzeug). Jedes Land musste aus der Ressource Papier Produkte herstellen und sie an den Weltmarkt verkaufen: In der Form von besagten geometrischen Figuren vorn an dem Aufsteller. Und daraus wiederum bekamen sie Geld. Ziel des Planspieles war es, so viel Geld wie möglich zu erwirtschaften. Dabei galt noch eine sehr wichtige Regel: Jedes Land hatte einen Wirtschaftsminister (nur der durfte an den Weltmarkt verkaufen) und einen Diplomaten (nur der durfte mit anderen Länder kommunizieren).

Rohstoffe und Geld

Eine der Gruppen bei der Arbeit

Judith erklärt die Regeln

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Die nächsten Stunden waren erfüllt von hungriger Machtgier, Betrug, Versagen, Erfolg, Reichtum und absolutem Kapitalismus. Pakts wurden geschlossen, gebrochen. Handelsabkommen wurden vertraglich gesichert, Embargos verhängt. Es schlug hin und her zwischen Krieg und Frieden. Und sogar die Natur und der Weltmarkt ließen Preise ins Bodenlose fallen oder Werte in den Himmel schnellen. Hektik war angesagt. Es war ein absoluter Wettkampf. Das machte allerdings so sehr Spaß, dass die Zeit dahin schnellte wie sonst etwas. Und als dann der Weltmarkt schloss, war es schon später Nachmittag. Nach dem Planspiel gab es noch einen kleinen thematischen Abschluss und eine Auswertung. Wir alle waren überrascht von dieser Dynamik des Spiels und sagten, dass es wirklich sehr viel Spaß gemacht hatte.
Doch was wäre ein FÖJler ohne Abendbrot? Genau. Nichts.
Deshalb gab es dann auch den Bauchfüller schlechthin und danach gesellte man sich zur allabendlichen Stickrunde, die den Abschluss des Tages bildete – zumindest den „anstrengenden“.
Zum Schluss, also zum wirklich richtigen Schluss, kam noch „Yes Men“. Ein Film über eine Gruppe, die sich als real existierende Firmen ausgaben und dann auf Meetings kamen, um Vergehen der Firmen (wie ein Chemieunfall in Indien mit 10000 Toten, die nach 30 Jahren noch immer nicht entschädigt wurden) zu „rächen“. In Vorträgen stellten sie Projekte vor, in der man Leichen im Keller vergoldet oder scheinbare Kerzen aus menschlichen, organischen Resten verschenkten. Aber selbst auf solche Sachen sprangen Geschäftsmänner an – und das war die Sache, mit der noch nach dem Film der Mund offen stehen blieb.

Der blieb allerdings nicht lange offen. Denn manche gingen dann nach dem ereignisreichen Tag schon schlafen, gingen gemütlich ein oder mehr Bierchen trinken, spielten bis in die Nacht oder quatschten noch gemütlich über alte Zeiten…

Text: Lukas Flade

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